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Film-Kritik: "mid90s"

Mit „mid90s“ veröffentlicht Schauspieler Jonah Hill, den

die meisten von euch vermutlich aus Filmen wie „Superbad“

oder „The Wolf of Wall Street“ kennen dürften, seine erste

Regie-Arbeit. Ich habe den Film letzte Woche gesehen und

möchte an dieser Stelle unbedingt ein paar Worte darüber verlieren!

 

Worum geht es?

 

Der 13-jährige Stevie (Sunny Suljic) weiß mit seinem Leben nicht so wirklich etwas anzufangen. Mit seiner alleinerziehenden Mutter (Katherine Waterston) und seinem gewalttätigen großen Bruder (Lucas Hedges) lebend, besteht seine Freizeit aus dem Spielen von Videospielen und dem Hören von Musik. Als er eines Tages auf eine Gruppe Jugendlicher trifft, die das Skaten als gemeinsames Hobby teilen, eröffnet sich ihm eine neue Welt. Rauchen, Trinken, Partys – die Welt abseits des Skate-Spaßes wirkt zunächst verführerisch und dient als Ausbruch aus der mütterlichen Umklammerung, wirft aber schon bald einen deutlichen Schatten auf das Leben von Stevie und dem seiner „neuen Freunde“.

 

 

Kritik:

Jonah Hill gelingt mit seinem Erstlingswerk eine interessante und wahnsinnig sympathische Zeitreise mitten in die 90er-Jahre. Natürlich kann ich als jemand, der zu dieser Zeit vermutlich noch nicht einmal in Planung war, nicht sagen, inwiefern der Film die Wirklichkeit von damals authentisch abbildet. Was ich aber sagen kann, ist, dass ich dem Film das, was er mir vermitteln möchte, komplett abkaufe. Er wirkt echt und authentisch, was an einer ganzen Menge an Faktoren liegt.

Dabei ist besonders das Drehbuch positiv herauszuheben. Dialoge, wie sie die Jugendlichen innerhalb dieser Geschichte miteinander führen, lassen andere Coming of Age-Filme der aktuellen Zeit schmerzlich vermissen. Banale Themen, Alltagsprobleme, teilweise auch einfach Diskussionen über Dinge, die einem einfach so in den Kopf schießen - davon bietet der Film eine ganze Menge. In einer Szene stellen sich die Jugendlichen beispielsweise die Frage, ob man lieber seinem Vater einen runterholen oder seiner Mutter die Vagina auslecken wollen würde. Solche Momente, wie man sie sonst nur aus Filmen wie z.B. Pulp Fiction (1994) kennt, zeigen, wie unbedacht und sorglos die Protagonisten an bestimmte Themen herangehen. Konträr zu diesen Szenen bietet der Film aber auch Raum für emotionale Gespräche und Situationen, in welchen dann auch Themen wie Gewalt, Zukunftsangst oder Ausgrenzung behandelt werden. Vor allem passiert das in den Szenen, in denen Stevie mit seinem großen Bruder agiert, der ihn oftmals angeht, teilweise sogar schlägt. Dieser Kontrast aus einer emotionalen Verwirrung und einem fehlenden Zugehörigkeitsgefühl auf der einen und der Sorglosigkeit auf der anderen Seite ist es, der ein Gefühl der Authentizität beim Zuschauer aufkommen lässt. Die Charaktere wirken echt, weil sie über echte Probleme diskutieren, die für andere Jugendliche allesamt greifbar wenngleich oft ziemlich banal sind. Ob das Leben der Jugend von damals wirklich so war, kann ich wie gesagt nicht beurteilen, vorstellen kann ich es mir aber definitiv, denn abgesehen vom Skaten selbst lassen sich durchaus Parallelen zu den Heranwachsenden von heute erkennen.

Über das Schauspiel kann ich auch wenig Schlechtes sagen. Alle machen ihren Job ordentlich, besonders Sunny Suljic, dem man Stevies emotionalen Kampf definitiv abnimmt. In den Nebenrollen begeistert vor allem Lucas Hedges als Stevies großer Bruder, auch wenn der Charakter selbst mir viel zu wenig beleuchtet wird, weshalb ich für meinen Teil seine Motivation hinter bestimmten Aktionen nicht immer ganz nachvollziehen konnte. Ähnlich verhält es sich auch mit einigen von Stevies Freunden, über die man bis auf ein paar Sätze nicht wirklich viel erfährt und deren Aussagen und Aktionen ,am teilweise nicht nachvollziehen kann.

Untermalt wird das Ganze von einem mehr als passenden Soundtrack. Von den Pixies über Cypres Hill bis hin zu Nirvana – man fühlt sich definitiv zurückversetzt.

Zahlreiche Anspielungen auf die damalige Zeit finden sich auch in der Ausstattung des Films. Zu Beginn des Films fährt die Kamera beispielsweise einmal komplett durch Stevies Zimmer. Mittendrin: Turtles-Bettwäsche, ein Super Nintendo, ja sogar eine Puppe von Hulk Hogan (!). Diese Winke mit dem Zaunpfahl setzt Regisseur Hill allerdings gekonnt und pointiert ein, weshalb nie ein Gefühl der „Übersättigung“ auftritt.

Schlussendlich bleibt nur noch die Kamera zu erwähnen, die in diesem Film keine unwichtige Rolle spielt, denn: Der Film wurde komplett im Format 4:3 gedreht. Das ist für heutiges Kino definitiv untypisch, wirkt aber als bewusstes Stilmittel und umrahmt das Werk stilistisch voll und ganz. Man hat einfach das Gefühl, eine Videokassette zu schauen, die aus der damaligen Zeit stammt.

 

Fazit:

 

Alles in allem bin ich mehr als begeistert von „mid90s“! Jonah Hill schafft es, ein zeitgenössisches Bild der damaligen Zeit zu schaffen, das zu keinem Zeitpunkt erzwungen oder unnatürlich wirkt. Drehbuch, Schauspiel, Musik und Ausstattung – alles geht Hand in Hand und vermittelt ein mehr als authentisches Bild einer Jugend, die sich sorglos auf der einen und emotional auf der anderen Seite bewegt und mit genau diesem Zwiespalt zu kämpfen hat. Diese Kombination täuscht letztendlich über kleine Fehler in der Dramaturgie sowie der Exposition einiger Charaktere und ihrer Motivation hinweg und ergibt ein filmisch mehr als stimmiges Gesamtbild.

Ich möchte „mid90s“ besonders den Leuten ans Herz legen, die Lust haben, mal wieder in  eine unbeschwertere Zeit entführt zu werden. Bei mir hat sich der Film auf jeden Fall seinen ganz eigenen Platz im Herzen erspielt – und das zurecht!

                                                                                                                                                                                                                                           4 von 5 Punkten

 

Die Rechte an allen im Artikel verwendeten Bilder gehören A24.

Quelle:

https://www.mfa-film.de/kino/id/mid90s/ 

 

 

 

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